Obgleich moderne Fremdsprachenkenntnisse heute nahezu unverzichtbar sind, erfreut sich das Lernen von Latein nach wie vor großer Beliebtheit. Lateinabsolventen sind am Arbeitsmarkt sogar überdurchschnittlich erfolgreich. Wie lassen sich diese Befunde erklären? Mit Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) wird in diesem Artikel aufgezeigt, dass ein positiver Zusammenhang zwischen einer bildungsbürgerlichen Abstammung und Lateinkenntnissen besteht. Ebenso wie die generelle Popularität erklärt sich die positive Wirkung auf dem Arbeitsmarkt, so die These, folglich aus der Bedeutung von Latein als Marker kulturell elitärer Zugehörigkeit. Um dies zu verdeutlichen, werden die historischen Entwicklungen in Deutschland im Bereich der höheren Sekundarbildung in Bezug auf die wählbaren Fremdsprachen analysiert und mithilfe der Feldtheorie Bourdieus interpretiert. Das Angebot an modernen Fremdsprachen, wie es in der heute dominanten realbildenden, an einem internationalen Arbeitsmarkt orientierten Ausrichtung vorherrscht, erweist sich dabei als ein Produkt des Erfolgs häretischer Kräfte im Feld, die das orthodoxe humanistische Bildungsideal zurückdrängten. Im Zuge der Inflation des Abiturs durch die Bildungsexpansion der vergangenen Jahrzehnte hat sich der elitäre Sinngehalt des Abiturs auf das humanistische Abitur im Speziellen verlagert. In der Folge stellt die schulische Fremdsprachenwahl eine schließungsrelevante Dimension sozialer Ungleichheit im Bildungswesen dar.